Wanderbericht: Wandern an der Nordseeküste Dänemarks - Blavand erleben
Vor mir breitet sich der großartige Skallingen Strand aus. Strandläufer trippeln über den hellen Sand. Über dem Meer geht langsam die Sonne auf. Graurosa leuchtet das Wasser der Nordsee, dessen Oberfläche an eine glitzernde Folie erinnert. Weit geht der Blick nach Westen. Kaum zu glauben, dass es dort in der letzten Kaltzeit mit dem Doggerland noch eine Landbrücke zwischen Jütland und England gab.
Angenehm geht es sich auf dem vom Hin und Her der Wellen geriffelten Boden. Außer einem leichten Plätschern und dem Wind ist kaum etwas zu hören. Meine Gedanken lösen sich auf in ein zufriedenes Hierundjetztwillichsein. Nur ab und zu reißt mich der Schrei einer Möwe aus der Meditation.
Früh an diesem schönen Morgen im Oktober habe ich leise die Tür unseres Ferienhauses hinter mir zugezogen, um meinen Mann und die vier Kinder nicht aufzuwecken. Schließlich sind wir in den Herbstferien. Den Rucksack mit Thermosflasche, veganem Essen und Mini-Gaskocher hatte ich schon am Abend vorher gepackt.
Ich habe mich sehr gefreut auf den gemeinsamen Urlaub im dänischen Blavand, nordwestlich von Esbjerg. Heute aber bin ich alleine aufgebrochen, zu meiner ganz persönlichen Herausforderung. Vor mir liegt eine 27 Kilometer lange Tour, die mich durch sehr vielseitige Landschaften führen wird. Meine allererste Wanderung will ich alleine meistern. Werde ich rechtzeitig vor Einbruch der Dunkelheit zurück sein? Zur Sicherheit habe ich eine Stirnlampe im Gepäck. Auch an ein Erste-Hilfe-Set habe ich gedacht, mit Pinzette, Mullbinden, Desinfektionsmittel und Blasenpflastern.
Bei Dänemark denkt man nicht unbedingt an Wandern. Dabei hat das dünn besiedelte Land einiges zu bieten. Zwar gibt es dort keine Berge, dafür aber zwei Meere, fünf Nationalparks und Hunderte Kilometer sehr gut ausgezeichnete Wanderwege durch ursprüngliche Natur. Auch meine Tour ist ausgeschildert. Markierungen und GPS-Punkte helfen bei der Orientierung.
Weiter wandere ich den Skallingen Strand entlang. Der feuchte Sand am Wasser ist einigermaßen fest. Trotzdem sinke ich immer wieder ein und spüre, dass ich mit meinen Kräften haushalten muss. Erst recht, als ich nach drei Kilometern in die Dünen abbiege, anstatt gerade aus nach Skallingen Ende zu wandern. Nun muss ich durch tiefen Sand stapfen. Priele mäandern durch die wie mit Samt überzogenen Dünen. Das Rauschen von Wind und Wellen tritt in den Hintergrund. Die salzige Luft der Nordsee ist aber weiterhin zu riechen und zu schmecken.
Auf und ab geht es über Trampelpfade. Weil die Dünen für Vögel ein wichtiger Rückzugsort sind, sollte man die Wege unbedingt nicht verlassen. So auch in der Heide, die allmählich die Dünen ablöst. Mit der Landschaft wandelt sich der Geruch. Die Heide strömt einen würzig-süßen Duft aus. Ich denke an Honig. Bis auf einige Wolkenfetzen ist der Himmel blau. Unter der noch warmen Oktobersonne beginne ich zu schwitzen. Kühlung verspricht der Wald, der nach einer Stunde die Heide ablöst. Der Weg unter meinen Füßen wird fest aber nicht hart. Dafür sorgen Moose und Baumnadeln. Angenehm federn meine Schritte. Der Boden duftet feucht, die Nadelbäume harzig. Hunger meldet sich. Auf einer Lichtung packe ich den Proviant aus. Schon länger hatte mein Magen geknurrt. Vor der Hälfte der Tour aber wollte ich keine Pause machen. Erschöpft setze ich mich auf einen Baumstumpf. Moose, Flechten, Nadeln sowie lila und weiße Blüten kleiner Blumen bilden ein buntes Mosaik auf dem Boden. Brot, Weizen, Mandeln und Blaubeeren schmecken fantastisch. Zu lange aber will ich nicht ausruhen. Lieber weiterlaufen und dieses wunderbare Gefühl nicht verlieren, bei dem Alles von mir abfällt. In einer mitgebrachten Tüte verstaue ich die Reste meiner Mahlzeit. Mülleimer oder öffentliche Toiletten gibt es hier nicht.
Nach zweieinhalb Stunden erreiche ich die Ho Bucht im Nationalpark Wattenmeer. Sie liegt südlich des kleinen Ortes Oksböl. Die Ostseite der Halbinsel Skallingen ist ein wichtiger Rastplatz für Zugvögel und ein echter Hot Spot nicht nur für Ornithologen. Zehntausende Stare verdunkeln bei einem ihrer spektakulären Formationsflüge den Himmel. Schwarze Sonne wird dieses Naturphänomen genannt. Ich verspüre Demut und Bewunderung, so wie auch beim Anblick der Herde Wildpferde im angrenzenden Moor: Das hier existiert in seiner Erhabenheit und rauen Schönheit seit Millionen von Jahren.
Die Rundtour führt mich weiter zum Tirpitz Museum. Den auffällig umgestalteten Bunker aus dem Zweiten Weltkrieg kündigen bereits von weitem zwei lebensgroße Mammutfiguren und eine auffällige Kuppel an. Die Anlage wurde mit einfallsreich in ein Zentrum zur Natur und Geschichte der Region umgestaltet. Auch der Gedenkstein an St. Anders, letzte Etappe meiner Wanderung, erzählt über das harte Leben der Menschen in dieser unwirtlichen Gegend. Und von ihrem beharrlichen Aberglauben. Die Kapelle aus dem 16. Jahrhundert sollte die Seelen der in der Nordsee zahlreich verunglückten Seefahrer fernhalten. Vor der Landzunge Blavands Huk sorgt die 20 Seemeilen lange Sandbank Horns Rev für gefährliche Strömungen und Untiefen. Heute können sich die Schiffe an dem weißen, fast 40 Meter hohen Blavandshuk Fyr orientieren, dem westlichsten Leuchtturm Dänemarks.
An der Seebrücke von Blavand treffe ich meine Familie. Sie waren den Tag in dem kleinen, aber sehr kinderfreundlichen Blavand Zoo. Ich lege den Rucksack beiseite und ziehe mich aus. Das Bad in der immer noch 14 bis 15 Grad 'warmen' Nordsee ist eine Wohltat für die Füße. Angenehm prickelt das Salz auf der Haut. Abends vor dem Kamin spüre ich eine wohlige Müdigkeit. Eigentlich hätte die Wanderung den anderen auch sehr gut gefallen, denke ich im Bett. Aber meine erste Tour alleine bestanden zu haben, noch dazu in einer so spektakulären Urlandschaft, macht mich sehr glücklich. Schnell falle ich in einen tiefen Schlaf.
Sie möchten auch Blavand erleben? Dann finden Sie hier unsere Ferienhäuser in Blavand.
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